Bodenzeiten eines Jets

Autorin: Kathrin
23.11.2014

Wenn die Gäste aussteigen, fragen sie häufig, wie lange denn unser Aufenthalt sei. Auf Kurz- und Mittelstrecke ist das einfach zu beantworten: eine gute Stunde, je nachdem mit welchem Flugzeugmustern man reist – je kleiner desto kürzer ist die Bodenzeit. Kaum ist der letzte Bremsklotz vor das Fahrwerk gelegt, setzt sich ein fein aufeinander abgestimmter Apparatismus in Gang.

Ist der letzte Passagier von Bord steht schon die Reinigungsmannschaft vor der Tür in den Startlöchern. Ihnen stehen im Schnitt zehn Minuten zu, je nach Stärke des Putzkommandos, um aus einem fliegenden Müllberg wieder ein ansehnliches, sauberes Fluggerät zu zaubern. Dazu gehört das Entleeren und neu Stecken der Sitztaschen, das Entsorgen von Zeitungen und allem anderen Müll aus der Kabine, den Waschräumen und den Bordküchen, die Reinigung der Toiletten, das Wischen der Küchen, das Saugen des gesamten Teppichs und das Zusammenlegen der Anschnallgurte – ein Knochenjob, der besonders nach turbulenten Flügen wahrlich kein Zuckerschlecken ist. Chapeau an dieser Stelle zu den fast immer fröhlichen Kolleginnen und Kollegen an allen Airports dieser Welt, egal ob sie mit einem Hightech Staubsauger oder einem Palmenblattbesen unterwegs sind!

Parallel zur Reinigungsaktion überprüft die Kabinenbesatzung das vollständige Vorhandensein aller Schwimmwesten, die leider immer mal wieder Liebhaber unter den Gästen finden, faltet Decken zusammen und bezieht gebrauchte Kopfkissen neu. Die Waschräume werden von uns auf korrekte Reinigung überprüft und gegebenenfalls mit frischen Tüchern, Papier und Seife bestückt. An manchen Destinationen catern wir vor Ort noch Bordverpflegung nebst Frischwasser nach – auch diese wird sorgsam kontrolliert und abgezählt.

Der Rampagent ist das Bindeglied zwischen Himmel und Erde

In der Zwischenzeit hat das Cockpit die nachzutankende Menge Kerosin festgelegt und beim Tankdienst in Auftrag gegeben. Außerdem haben sich die Piloten um den Rückflugplan gekümmert, die Wetterdaten für den Rückflug eingeholt, die Papiere erledigt und den „Outside-check“ – die äußere visuelle Überprüfung des Flugzeugs – gemacht. In Absprache mit dem Rampagenten, der das Verbindungsglied zwischen Bodenpersonal, Laderteam und Flugzeugbesatzung ist, wird der Zeitpunkt für das neue Boarding bestimmt. Von ihm bekommen wir auch frische Informationen über mitzunehmende Fracht, die genauen Passagierzahlen und Besonderheiten, wie zum Beispiel Krankentransporte, Rollstuhlfahrer, Tiere in der Kabine oder im Frachtraum oder allein reisende Kinder. In der Regel reicht die freie Zeit kaum, um in ein Brötchen zu beißen oder zur Toilette zu gehen. Ein kurzer Blick in den Spiegel, schnell den Lippenstift nachziehen oder eine störrische Haarsträhne zur Räson bringen und es geht wieder los. Wenn die ersten Töne der Bordmusik durch die Kabine schallen, steht meist auch schon das Pre-Boarding, Gäste, die besondere Hilfeleistung beim Einsteigen und Auffinden ihrer Sitzplätze benötigen, vor der Tür.

Zeit zum Luftholen ist am Boden ist selten

Bis es heißt „Boarding completed“ und hoffentlich auch der letzte Koffer seinen Platz im Frachtraum gefunden hat, sind im Schnitt 50 Minuten vergangen. Zeit ist im Airlinegeschäft ein kostbares Gut, die Bodenzeiten sind knapp geplant und die Flugpläne straff gestrickt.

Ist die letzte Tür geschlossen und rollt die Maschine nach erfolgter Begrüßungsansage von Kapitän und Purser und der Sicherheitseinweisung zur Startposition, ist immer noch keine Zeit, um Luft zu holen. Das Gehirn arbeitet weiter, gerade an diesem Zeitpunkt sind nicht nur die Piloten angespannt. Die Flugbegleiter beschäftigen sich mit dem sogenannten „30 seconds review“, in den letzten Momenten vor dem Take off: Was könnte bei einem Startabbruch passieren? Welche Kommandos könnten aus dem Cockpit kommen? Starten wir über Land oder Wasser? Wie geht die Tür auf? Wo befindet sich meine Notausrüstung? Was rufe ich im Notfall den Passagieren zu? Auch wenn dies zigtausendfach in den Schulungen gelehrt und eingebläut wird, kurz vor dem Start gilt es, sich zu sammeln, damit im Notfall keine einzige Sekunde mit Überlegen verschenkt wird.
Kurze Zeit zum Durchatmen gibt es nach dem Einfahren des Fahrwerkes, bis zum „Cabin release“, dem Zeichen, dass die Kabine sich schon einmal abschnallen darf, um mit den Vorbereitungen für den Service zu beginnen. Normalerweise befindet sich die Maschine da schon in rund 3500 Metern Flughöhe.

Auf der Langstrecke dauert es ein bisschen länger

Das Tanken und Laden nimmt bei großen Maschinen mehr Zeit in Anspruch, zudem müssen die Nachtlandeverbote mancher Flughäfen bei der Planung der Rückflüge mit berücksichtigt werden. Daher sind die Bodenzeiten der Langstrecke etwas großzügiger, aber länger als 90 Minuten steht ein Flieger nur, wenn Wartungsarbeiten oder Reparaturen vorgesehen sind. Flugzeuge gehören in die Luft, nicht auf den Boden.

Langstreckenübergaben, bei denen die Incoming Crew aussteigt und die Outgoing Crew vor Ort übernimmt, gestalten sich ganz unterschiedlich. Im Idealfall verlässt man nach dem letzten Passagier das Flugzeug, es sei denn, die Checks, die die Piloten im Cockpit noch erledigen müssen, (z.B. das Ablesen der Ölstände im Triebwerke nach einer vorgeschriebenen Ruhephase), nehmen mehr als zwanzig Minuten Zeit in Anspruch.
Kabinenseitig wurde zuvor ein Übergabeformular ausgefüllt, welches alle Besonderheiten und notwenige neue Informationen den heimfliegenden Kollegen mitteilt. Das Cockpit übergibt die Maschine an die Technik und dann steht vor dem Weg ins Hotel nur noch die Passkontrolle an.

Kommt der Flug jedoch mit Verspätung an, wird es an Bord eng: zwei komplette Crews, Techniker, Caterer, Reinigungskräfte, Rampagent, Security Personal – alle wuseln durcheinander, um in der Enge des Flugzeuges und in der Kürze der Zeit das Schiff wieder umzudrehen. Alle arbeiten unter Hochdruck, um die Verspätung zu minimieren, wenn nicht sogar aufzuholen, bis es wieder heißt: „ready for boarding“

Und weiter geht die Reise, wohin auch immer.