Das Rückenlehnendrama

Autorin: Kathrin
07.02.2014

Ich bin gerade aus Punta Cana zurückgekommen und hatte einen Heidenspaß . Die Maschine für die Heimreise war „all-Eco“ bestuhlt, es gab Service wie in alten Zeiten, Tablettchen mit Auswahlessen – Pasta oder Beef – ein, zwei Getränke dazu und fertig war der Lack, zumindest für den ersten Teil des Fluges. Kein Chichi mit Tischwäsche, Weinflaschen-balancieren und gefühlten 47 Durchgängen zum Abendmahl, mal was anderes nach all den Businessstrecken. Die Gäste wussten, auf was sie sich eingelassen hatten, für geschätzte 398 € 9500 Km in die Karibik und wieder heim zu fliegen war ja auch ein Schnäppchen und alle Passagiere rundum zufrieden.
Fast alle.
Gast 4 C erschien nach drei Stunden Flugzeit in der Nachtruhe in der Galley und wollte zur Toilette. Diese war leider gerade besetzt und ich bat ihn höflich, doch bitte vor dem Vorhang zu warten, ich würde ihm Bescheid geben, sobald das Häuschen frei sei, schließlich handele es sich in der Küche um einen Sicherheitsbereich und dieser müsse frei von Gästen bleiben. Gast 4 C war erst irritiert, fügte sich dann aber und blieb friedlich vor dem Vorhang stehen. Fünfzehn Sekunden später aber schob er diesen wieder vorsichtig beiseite, mit den Worten:
„Es tut mir leid, Sie zu belästigen, aber wir haben da übrigens ein Problem!“
„Sie belästigen mich doch nicht“, erklärte ich ihm freundlich, „worum geht es denn?“
„Meine Frau möchte gerne ihre Rückenlehne nach hinten stellen, aber der Mann auf 5 A tritt ihr permanent die Knie ins Kreuz! Vielleicht könnten Sie da mal …?“
Na, klar, konnte ich. Diese Diskussion hatte ich schon tausendfach an Bord erlebt – die böse Rückenlehne. Der eine meint, es sei sein gutes Recht – weil eine bezahlte Leistung – die Rückenlehne nach hinten zu stellen, der andere erwartete aus Rücksichtnahme, dass die Rückenlehne senkrecht blieb, am besten während des ganzen Fluges über. Auf Kurz- und Mittelstrecke wäre dies ja kein Problem, auf der Langstrecke sei das doch wohl etwas anderes? Nachdem ich mich höflich bei Herrn 5A vorgestellt und nach dem Problem gefragt hatte, wurde ich sofort angepampt. Es sei eine Frechheit, wie er hier harren müsse, die Dame solle gefälligst sofort die Rückenlehne gerade stellen. Dies sei ja wohl nicht zum Aushalten! Würde sie nicht sofort vernünftig werden, müsse er ihr halt weiter die Knie ins Kreuz drücken. Auf meine Erklärungsversuche, dass sich der Abstand wieder gleich verhalten würde, wenn er seinerseits die Rückenlehne nach hinten stellen würde konnte 5 A verzichten – er sei schließlich nicht so ein Ignorant und würde von mir jetzt erwarten, 4 A mal ordentlich die Leviten zu lesen. So würde sich ja wohl kein normaler Mensch verhalten!

Liebe Fluggäste – könnt Ihr nicht einmal miteinander kommunizieren? Wenn ich mir als Stewardess etwas wünschen dürfte – es wäre ein bisschen mehr Empathie für die Fluggäste untereinander. Die Reise in einem Flugzeug ist eine Extremsituation: Es ist laut, es ist eng – es ist nervig, wenn der Nachbar nach Knoblauch, Blümchenparfüm oder Schweiß riecht. Es ist anstrengend, wenn kleine Kinder stundenlang kreischen, alte Leute permanent klingeln, Menschen schnarchen, unentwegt plappern, permanent aufstehen oder vor lauter Flugangst lautstark singen. Ja, es ist gemein, wenn einem ohne Vorankündigung der Tomatensaft über die Hose schwappt, weil keine Kommunikation vorher stattgefunden hat oder der Laptopdeckel zuklappt aus dem gleichen Grund.
Ist es wirklich so schwer, sich auszutauschen? Gebietet es nicht die Höflichkeit, wenigstens zu den Mahlzeiten, den Sitz senkrecht zu stellen?
Ein Freund mailte mir jüngst den Link zu einer grandiosen Innovation für Vielflieger: Für knappe 25US $ lassen sich zwei kleine Plastik-Blocker erwerben, die man in das Gelenk des eigenen Klapptisch einschiebt und damit verhindert, dass der Vordermann seine Rückenlehne nach hinten stellt. Großartig. Ob ich dieses Instrument schon einmal an Bord erlebt hätte? Ehrlich gesagt – nein. Ich habe einen Stammgast, der reist immer mit einem Selbstklebehaken. Vor dem Start pappt er ihn an die Trennwand in Reihe 1, hängt sein Sakko daran auf und kurz nach der Landung entfernt er den Haken mit einem Zipp und alles ist gut. Einen „Rückenlehnennachhintenklappverhinderhaken“ hatte ich noch nicht an Bord. Und ich bin da auch nicht wirklich scharf drauf, denn die wilden Diskussionen über so einen Einsatz kann ich mir jetzt schon in den schillerndsten Farben ausmalen.

Ich bin gerne Gastgeber an Bord, aber ich bin keine Kindergärtnerin. Ich habe Mitgefühl für Euch alle, aber ich kann an der Bestuhlung leider nichts ändern. Wenn Ihr keine Empathie für Eure Mitreisenden übrig habt, fliegt bitte Businessklasse, wenn ihr es nicht ertragen könnt, eingezwängt zu sein oder fahrt alternativ mit der deutschen Bahn. Fliegen ist auch heute noch ein Abenteuer.

Herzliche Grüße!
Eure Jenny Jetstream