Ein offenes Wort zum Thema Winter

Autorin: Kathrin
20.01.2013

Liebe Fluggäste,

schauen Sie doch bitte mal auf den Kalender – Januar… ein Wintermonat. Als nächstes schauen Sie bitte mal aus dem Fenster. Hell da draußen? Alles so schön ordentlich und einheitlich weiß? Das ist der Schnee. Der fällt in den Wintermonaten manchmal vom Himmel, sogar in Nordrhein-Westfalen. Ei der Dautz.
Ich muss zugeben, auch als „Düse“ mit Leidenschaft – die Wintermonate und vor allem die mit Schnee sind mir ein Greuel. Sie lassen mich nicht entspannt zu Arbeit fahren und in ein Flugzeug hüpfen, im Gegenteil, sie bereiten mir manchmal sogar schlaflose Nächte.
Wenn ich weiß, ich habe am nächsten Morgen um 5 Uhr lokal Check in, klingelt mein Wecker normalerweise um 3 Uhr. Im Winter um 1.30 oder um 2 Uhr. Da brauch man ja eigentlich gar nicht erst ins Bett zu gehen.

Nun, dass ich 100 Kilometer von meinem Einsatzort entfernt wohne, ist ja mein persönliches Problem. Und das in ländlichen Gegenden der Räumdienst nicht rundum die Uhr tätig ist natürlich auch. Aber wie jeder Arbeitnehmer habe ich natürlich den Anspruch, rechtzeitig zum Dienst erscheinen zu wollen, also stehe ich etwas früher auf, schaufele zitternd in meiner Plastikuniform den Schnee von meinem Auto und glitsche dann in gemütlichem Tempo Richtung Flughafen. Alles kaum ein Problem.

Die Probleme erwarten mich dann beim Dienst: Pünktlicher Abflug? – leider nicht möglich. Nee, nicht weil ein Kollege eingefroren oder im Schnee stecken geblieben ist, sondern weil zur „Rush-hour“, nämlich zur Öffnung des FLughafens um 6 Uhr, mindestens 100 Flugzeuge gleichzeitig starten wollen. Normalerweise geht das im 60 Sekunden Takt, immer fröhlich hintereinander weg, aber an so einem frostigen und Schneereichen Tag müssen die Aluminiumvögel ja vorher auch noch enteist werden! Und das dauert je nach Größe des Transporters zwischen 10 und 30 Minuten. Da heißt es erst mal Geduld. Vielleicht fehlt auch noch eine Zubringer-Maschine, weil sie wegen Schneetreibens nicht rechtzeitig in München starten konnte? Oder ein paar Passagiere, die nicht pünktlich am Gate erschienen sind? Macht nichts, wir Flugbegleiter können die Wartezeit an Bord sinnvoll nutzen: Wie verstaue ich das voluminöse Handgepäck, den Schrankkoffer, das Laptoptäschchen, den Daunenmantel und die Dutyfree-Tüten in Gepäckfächer, die schon nach den ersten 100 Passagieren proppevoll sind? Und vor der Tür stehen noch mal die gleiche Anzahl Gäste…
Wir können uns die Zeit kurzweilig verteiben mit wundervollen Diskussionen: „nein, das Gepäckfach über ihrem Sitz ist nicht nur für Sie alleine, sondern für die gesamte Reihe“, „es tut mir sehr leid, ich kann Ihren Koffer nicht auf der Toilette verstauen“, „nein, einen separaten Garderobenschrank haben wir leider nicht an Bord“, „es tut mir sehr leid, auch hinter Trolleys dürfen wir kein Passagiergepäck verstauen“, „wenn der Koffer nicht unter den Vordersitzt passt, muss ich den leider ausladen lassen“.

„Waaaaaas? Ausladen?? Meinen Koffer??? Den hat mein Mann mir extra für Flugreisen geschenkt!!!!“

Tief Luft holen, ausatmen, lächeln. „Ja, aber leider sehe ich keine Möglichkeit, ihn in den Gepäckfächern zu verstauen. Wir müssen ihn leider ausladen lassen, damit er in den Frachtraum gebracht werden kann. Möchten Sie ihn vielleicht noch abschließen, oder Wertsachen entnehmen?“
Ich hasse diese Diskussionen. Sie sind jeden – JEDEN! – Tag die gleichen.

Ich hasse es auch, stundenlang an der offenen Flugzeugtür zu stehen. In Moskau waren es am 23.12.12 -22 Grad. Und ich habe die eingefangene Erkältung noch heute nicht los, obwohl – diese russischen Winterprofis – wir bloss eine Bodenzeit von 70 Minuten vor Ort hatten!

Die ewigen Verspätungen durch das Enteisen sind wirklich nervig. Es dauert halt etwas länger, als bei einem Auto die Scheiben mit einem Gucklock freizukratzten und danach die Heizung auf volle Pulle zu stellen. Nicht-enteiste Tragflächen produzieren nicht genug Auftrieb und das Flugzeug stürzt nach dem Start ab. So einfach ist das. Und leider ist man ja auch nicht das einzige Fluggerät am Airport. Wartezeiten von 30 – 90 Minuten sind normal.

Vielen Dank für Ihr Verständnis, liebe Gäste. Ich höre mir gerne Ihre Sorgen an: „Ich verpasse den Anschlussflug/ meinen Zug/ mein Meeting/ mein Date/ meinen Abholer/ meinen Sechser im Lotto…“ Allein, ich kann es nicht ändern. Ich kann verständnisvoll lächeln, nicken, Sie bedauern und Ihnen einen heißen Kaffee anbieten. MEHR NICHT. Ich kann leider weder hexen noch zaubern, auch ich finde die Verspätung äußerst lästig. Ich bekomme diese nervigen Wartezeiten auch nicht bezahlt. (Die Piloten im übrigen auch nicht.) Und wir machen das nicht mit Absicht. Ehrlich!

Und wenn wir dann mit 2 Stunden Verspätung im sonnigen Hurghada bei 30 Grad landen, freue ich mich auf all die genervten Passagiere, die mit grimmigen Gesichtern einsteigen und dem netten Spruch: „Na, liegen in Deuschland mal wieder drei Schneeflocken quer? Warum kommen Sie jetzt 2 Stunden zu spät?“

Genau deshalb. Wegen der Schneeflocken. Diese süßen, weißen, fluffigen Dinger. Die sich leider äußerst ungünstig auf der Startbahn und auf den Tragflächen ausmachen. Und weil uns Ihre – und natürlich auch unsere – Sicherheit am Herzen liegt, sind wir heute mal was später da. Es ist Winter in Deutschland.