Fliegerfussball

Autorin: Kathrin
24.06.2014

Ganz Deutschland ist im Fussballfieber und das geht natürlich auch am fliegenden Personal nicht gänzlich spurlos vorbei. Während ich vor zwei Jahren bei der EM fast alle Spiele des deutschen Kaders entweder Zuhause oder in einer netten Hotelbar verfolgen konnte, kollidieren die geplanten Flüge in diesem Jahr leider vehement mit den wichtigen Terminen unserer Mannschaft – zumindest, was die Vorrunde angeht. Und dabei soll es doch hoffentlich nicht bleiben?

So erwischte es mich auch am vergangenen Samstag, als die Deutschen gegen Ghana antraten. Ich hatte Check In am frühen Nachmittag für eine Reise nach Spanien, die anschließend in der Hauptstadt enden würde. Wenn alles gut klappte, würde man dann wenigstens bei einem netten „Afterlanding“ die zweite Halbzeit vor der Grossleinwand im Hotel genießen können, denn Anstoß für unsere Jungs war ja erst um 21 Uhr.

Ein Leitsatz in der Fliegerei, den man sich merken sollte, ist folgender: Mach niemals Termine direkt nach einem Flug. Nie! Das ist wie einen Regenschirm mitnehmen, weil man glaubt, das es regnet – wird es dann ganz sicher nicht, oder eine Zigarette anstecken, wenn man auf einen Bus wartet – der natürlich genau dann um die Ecke kommt. Es scheint Murphys Law zu sein, dass ausgerechnet immer die Flüge Verspätung haben, die unbedingt pünktlich sein sollten.

Natürlich ist Pünktlichkeit nach dem Aspekt der Sicherheit ein wichtiges Bewertungskriterium, wenn es um jegliches Beförderungsmittel geht. Ich frage mich, ob es sich bei Bahn- und Busreisen ähnlich verhält, oder ob es sich nur um meine persönliche Erfahrungen in der Fliegerei handelt? Der Plan mit der zweiten Halbzeit kam schon ins Wackeln, bevor wir überhaupt abgehoben hatten. Der Crewkontakt meldete sich telefonisch bei mir, als ich noch auf dem Weg zum Flughafen war:
“ Miss Jetstream, Ihr Check In verschiebt sich leider um eine Stunde.“

Auweia, eine Stunde! Soviel würde auf einer Kurzstrecke nur mit einem kleinen Wunder wieder herauszuholen sein. Aber noch war nichts verloren! Da es sich für mich nicht lohnte, wieder zurückzufahren, setzte ich meinen Weg zur Firma fort und verbummelte die Zeit bei einem Latte Macchiato und auf der Jagd nach einem frischen Buch im Terminal.

Nichts zu tun ist manchmal anstrengender als etwas zu tun und so waren wir froh, endlich zur besten Nachmittagskaffeezeit an Bord gehen zu können. Nach der ganzen Warterei musste es dann auf einmal ganz schnell gehen, da wir unverhofft einen „Slot“, ein vorgeschriebenes Startfenster, aufgedrückt bekommen hatten. Unsere Gäste, glücklich, das es endlich losging – inzwischen 90 Minuten später als geplant -strömten in die Kabine, mit von der Partie einige Passagiere mit Gehhilfen, reichlich Kindergartenkinder, fröhliche Jugendliche und nicht weniger als acht Babys. Diese sorgten während des Fluges für geräuschvolle Untermalung der Reise, die Knirpse tobten fröhlich durch den Gang und spielten Fangen, Eltern standen mit zu tröstenden Säuglingen hin- und herwiegend zwischen den Sitzreihen, vor und in den Küchen, dem Gast auf 3 D rutschte aus Versehen der Tomatensaft in die Louis Vuitton Tasche seiner Nachbarin, wir verkauften neben unserem Standardservice ungezählte Packungen Chips, Schokolade und Gummibärchen an die ausgehungerten Reisenden, ein bisschen Dutyfree… – aber sonst war alles ruhig und in einem Augenzwinkern der Flug vorbei. Auch das Aussteigen ging viel zügiger als sonst, offenbar trieb das zu erwartende Spiel viele Gäste schnell in die Nähe eines Fernsehers. Und der war für die meisten ja noch ein gutes Stück entfernt.

Uns trennten noch zirka 2000 km vom nächstmöglichen Übertragungsort. Unsere Maschine wurde neu betankt, blitzgereinigt und nach knappen zwanzig Minuten stiegen bereits die Berliner ein – Rekordzeit! Wir hatten schon über eine halbe Stunde wieder gut gemacht, aber würde das reichen, um noch vor dem Schlusspfiff im Hotel anzukommen? Etliche unserer Gäste trugen Deutschlandtrikots, schwarzrotgoldene Blumenketten und andere Fanartikel – die Mission war klar und die Laune wegen der Verspätung etwas angespannt. Die Maschine war wieder ausgebucht, diesmal hatten wir nur sieben Babys, dafür noch eine Dame, die kurz nach dem Einsteigen entsetzt feststellte, dass ihr bei der Securitykontrolle offenbar wertvolle Dinge wie Schmuck und ein Laptop aus dem Handgepäck entwendet worden waren. Ob sie denn noch einmal zurück könne, um sich diesbezüglich Klarheit zu verschaffen? Die Rampagentin rotierte, wir alle waren bemüht und es hätte fast klappen können – wenn der Ladevorgang des Gepäckes uns nicht einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Als der letzte Koffer endlich im Bauch unserer Maschine verschwunden war, war auch die wettgemachte Zeit dahin – erwartete Landezeit in Berlin: 21.50 h.

Zwei Bordansagen gab es vom Kapitän während des Fluges, beide Male hieß es 0:0. Bei der Landung erfuhren wir vom 1:0 für Deutschland. Nachdem wir unsere Maschine an die nächste Crew übergeben hatten, ( der Flieger durfte noch einmal auf einen Nachtflug), schauten wir ab der 50. Minute auf dem IPad unseres Kapitäns im Crewbus auf dem Weg zum Hotel. Tor Nummer 1 und 2 für Ghana. Wegen des „Christopher Street days“ war die Fahrt zum Hotel ungewöhnlich lang, aber uns war es egal, gebannt starrten wir auf unsere eigene mobile „Grossbildleinwand “ von sagenhaften 24 mal 18 Zentimetern und lauschten konzentriert dem quäkendem Ton.

Kurz nach dem Unentschieden erreichten wir unsere Unterkunft. Während ein Großteil der Crew samt Gepäck direkt zur Liveübertragung in die Bar eilte, musste ich noch die Zimmer für uns organisieren. Zwei Kolleginnen interessierten sich nicht die Bohne für Fussball und das war ja schließlich zu respektieren. Ich hätte ein neuerliches Tor zweifellos gehört, aber trotz der vielen Chancen in der zweiten Hälfte des Spieles blieb es in der Lobby verhältnismäßig ruhig. Vielleicht lag es auch daran, dass die meisten Gäste keine Deutschen waren?In der 82. Minute hatte ich endlich alle Zimmerschlüssel, passiert ist dann leider nichts entscheidendes mehr.

Das war eines meiner spannendsten Fußballspiele, auch wenn es vielleicht mehr die Jagd auf das Spiel an sich war, als die Begegnung selbst. Auf jeden Fall wünsche ich unseren Jungs alles Gute für den Rest der WM und unseren Gästen vom Rückflug, dass sie den kommenden Donnerstagabend nicht wieder an Bord eines Flugzeuges verbringen müssen.