Flüssigkeiten an Bord

Autorin: Kathrin
01.12.2014

Der Umgang mit Flüssigkeiten an Bord will gelernt sein und damit meine ich das aktive Hantieren damit und nicht die banale Sichtweise, ob das Glas halb voll oder halb leer ist.

Ich kann mich noch gut an meine erste Flasche Champagner zu 180 DM erinnern, die ich als junge Hotelfachfrau-Auszubildende vor den neugierigen Augen der Gäste am Tisch öffnen musste. Der störrische Korken wollte nicht ans Tageslicht, schließlich half das beherzte Eingreifen des Oberkellners den edlen Tropfen in die Freiheit zu entlassen – und das kleckerfrei. Auch die teuren Rotweine erforderten eine ruhige Hand und ein gutes Augenmaß, schnell sprang ein vorwitziger Tropfen auf das weiße Tischtuch oder noch schlimmer, auf die Garderobe des Gastes.

Routine stellt sich mit dem regelmäßigen Arbeiten mit Flüssigkeiten recht schnell ein, das hilft allerdings nur in einem begrenzten Rahmen an Bord eines Flugzeuges. Zum einen ist der Kabinendruck ein Problem: Kohlensäurehaltige Getränke haben die Tendenz zu explodieren, selbst wenn man sie mit Samthandschuhen anfasst. Jedes zu viel an Bewegung wird die Flasche schon im Vorfeld übelnehmen und wenig später fröhlich aus sich heraussprudeln. Am allerschlimmsten ist Cola Light, sie braucht man nur schief anzuschauen, schon flippt sie aus, wie ein brodelnder Vulkan. Schraubt man nicht in Windes Eile den Deckel wieder auf die Flasche, ist sie zu zwei Dritteln leer. Der Getränkewagen schwimmt und nicht selten bekommen auch noch Unschuldige einen Teil der klebrigen Brause ab.

Schwer kalkulierbar sind auch ungeduldige Gäste, die einem schon mal energisch am Blusenärmel zupfen, wenn am Ende des uniformierten Armes die Hand gerade versucht dem Gast am Fensterplatz einen Kaffee aus der vollen Kanne nachzuschenken. Aus diesem Grund werden Heißgetränke nur noch über dem Wagen oder über einem Tablett aufgefüllt. Und von wegen Flugzeugkaffee ist immer nur lauwarm!

Manchmal scheitert es einfach am Platzangebot

Aber nicht nur bockige Getränke sind eine ganz andere Herausforderung als am Boden. Der Aktionsradius an Bord ist sehr begrenzt, besonders in der Economy. Manchmal scheitert ein gutgemeintes Anreichen des Getränks , weil eine schwungvoll zurückgeklappte Rückenlehne den Becher des Nachbarn zu Fall bringt, dieser erschrocken die Arme hoch reißt und damit der Flugbegleiterin das gerade gefüllte Glas aus der Hand schlägt. Klingt konstruiert? Passiert öfters an Bord, als Du denkst.

So richtig interessant wird es, wenn latente Turbulenzen dazu kommen. Wenn unsere Piloten mal wieder über die Wolkenobergrenze reiten und sich nicht wirklich dazu durchringen konnten, die Anschnallzeichen anzuschalten. Dann komme ich mir bei meinen Jonglierversuchen manchmal vor wie bei Roncalli – Zeit für mich den Service abzubrechen und Rücksprache mit dem Chef zu halten. Nicht, dass ich es besser wüsste, aber gerade im hinteren Teil der Kabine wackelt es viel mehr als vorne, da ist Absprache das A und O, wenn man eine Sicherheitsgefährdung durch heißen Kaffee oder Tee und fliegende Getränkewagen ausschließen will.

Mein persönlicher Obergau – eine verschwitzte Tüte T-Saft

Aber es braucht gar keine wilden Turbulenzen, um die Katastrophe schlechthin zu erleben. Mein persönlicher Obergau in punkto vermasseltem Getränkeausschank ereignete sich bereits in meiner dritten Woche als Flugbegleitung. Eine Dame im blütenweißen Sommer-Overall bestellte bei mir ein Kaltgetränk: den legendären Tomatensaft. Ich griff nach der Tüte, die von einer gut sorgenden Galleymouse (Küchenfee) zuvor mit reichlich Trockeneis fast bis auf den Gefrierpunkt heruntergekühlt worden war und nun in der warmen Kabinenluft kräftig anfing zu schwitzen. Durch dieses Schwitzwasser glitschte mir die volle Tüte Gemüsesaft etwa zwanzig Zentimeter über dem Getränkewagen aus der Hand und eine winzig kleine Turbulenz, quasi ein Lufthauch, verhinderte durch minimale Schräglage des Fluggerätes, dass diese Safttüte einfach wieder dort landete, wo ich sie zuvor zwischen Apfel – und Orangensaft geparkt hatte. Sie verkantete sich, schwappte in Sekundenbruchteilen schwungvoll zur Seite und ergoss sich in Gänze in einem blutroten Schwall über besagte Dame mit dem weißen Overall – von der Schulter, über die Brust bis in den Schritt. Ich stand wie versteinert an meinem Getränkewagen, wurde genauso rot wie der verplemperte Saft und wünschte mir augenblicklich ein Loch im Kabinenboden, damit ich darin hätte versinken können. Da der Wunsch unerfüllt blieb, überschüttete ich wenig später die gebadete Passagierin mit hundertfachen Entschuldigungen und dilettantischen Reinigungsversuchen mit viel zu kleinen Papierservietten. Sie sagte nichts. Außer einem erschrockenem „Huch!“ (wahrscheinlich, weil der Saft eiskalt war), kam ihr kein Wort über die Lippen. Kein Wort des Meckerns, kein Geschimpfe. Allerdings zog sie es vor den Rest des Fluges Mineralwasser zu trinken.

Ich denke noch heute, nach 25 Jahren, ab und zu an diese Dame mit ihrer umwerfenden Contenance. (Sollten Sie diese Zeilen per Zufall lesen, ich würde Sie spontan auf einen Champagner einladen. Eine ganze Flasche, gut gekühlt und nicht geschüttelt!) Und eigentlich denke ich immer an diese Passagierin, wenn ein wütender Gast auf einen Reinigungszettel besteht, weil drei Tropfen klare Selter auf seinen Designerpullover gesprungen sind. Ich muss auf jedem Reinigungszettel explizit angeben, was wodurch und von wem verschmutzt worden ist. Oftmals sind die Flecken mehr zu erahnen, als zu sehen. Aber natürlich sind wir kulant und verkleckerte Garderobe ist natürlich ärgerlich.

Auch Piloten sind vor Pannen nicht gefeit

Niemand weiß das besser als mein Mann. Auf einem Flug von Kapstadt nach Windhoek trank er als Passagier einen Rotwein, einen sehr leckeren Südafrikaner, der nach einem Nachschlag verlangte. Die Maschine befand sich bereits im Anflug, aber natürlich spendierte der freundliche Flugbegleiter von South African dem durstigen Flugkapitän noch eine zweite Runde. Beim Eintritt in die Wolkendecke tat das Flugzeug einen Satz und der Rotwein hüpfte aus dem Kristallplastik heraus über Hemd und Hose – weißes Hemd und helle Khaki Hose, beides Laden-neu. Mich ereilte ein Lachflash, dass ausgerechnete einem Piloten so ein (vorhersehbares) Missgeschick widerfuhr und ich musste noch auf der Fahrt zum Hotel immer wieder kichern. Wenn Ihr demnächst mit Flüssigkeiten an Bord hautnah konfrontiert werdet, seht es uns bitte nach. Es ist keine böse Absicht jemanden zu fluten und selbst Profis sind vor einer Überschwemmung nicht gefeit.