Flug 93

Autorin: Kathrin
05.05.2014

Vor kurzen kam der Film „Flug 93“ wieder im Fernsehen. Ich habe ihn in der Wiederholung gesehen, nachts um drei, nach einem Diensteinsatz mit Go-around.
Obwohl alles super gelaufen war und es keinen Grund zur Sorge gab, konnte ich noch nicht schlafen und fiel beim wahllosen Zappen über diesen Film.

Ich hatte ihn bereits vor ein paar Jahren gesehen und schon damals hat er mich sehr beeindruckt. Es gibt sicher hunderte Filme über Flugzeugentführungen, -katastrophen, und -unglücke, „Flug 93“ hat für mich mit Abstand das größte Gänsehautpotential. Vielleicht, weil man weiß, dass es keine dumpf erfundene Hollywoodschmonzette ist – wie zum Beispiel das unglaublich abstrakte Werk, indem ein Kind an Bord einer „474“ verloren geht – sondern weil hier die traurige Realität nachgespielt worden ist.

9/11. Ist es wirklich schon 13 Jahre her, als diese Wahnsinnigen vier Flugzeuge entführt hatten? Mir kommt es vor wie gestern. Mein Mann war damals gerade dienstlich unterwegs, als ich im Autoradio den letzten Rest dieser unglaublichen Nachricht hörte: Ein Flugzeug ist in New York in das Worldtrade Center geflogen. Fassungslosigkeit, unglaubliche Fassungslosigkeit und das frustrierende Gefühl einer lähmenden Ohnmacht machte sich augenblicklich breit, schon nach dem ersten verlorenen Flieger. Staunend und machtlos nahm die Welt die anderen Verluste hin. Mit diesen Attentaten wurde nicht nur Amerika ins Herz getroffen, weltweit versucht man seitdem verzweifelt, sich vor derartigen Übergriffen in der Fliegerei zu schützen.

Allein der Einstig zu dem Film stimmt nachdenklich: Jeder fummelt an seinem Handy rum, egal ob Passagiere oder die Kollegen im Tower. Es herrscht kommunikatives Chaos. Bis endlich verarbeitet worden ist, dass es sich um eine eklatante Notsituation handelt, vergeht wertvolle Zeit. Und dann knallt es nicht nur an einer Ecke, der Bodenmannschaft bleibt kaum Möglichkeit zum Luftholen. Aber wie muss es sich an Bord einer der entführten Maschinen angefühlt haben? Mit ein paar Irren, von denen sich einer auf der Toilette eine Bombe zusammen frickelt und um den Bauch hängt? Der Film „Flug 93“ erzählt uns, dass sich an Bord ein ehemaliger Pilot und ein Fluglotse befunden haben. Mit dem Mut der Verzweifelten haben die Passagiere versucht, in das Cockpit einzudringen, nachdem die Stewardessen gesehen und kommuniziert haben, dass die beiden diensthabenden Piloten tot aus ihrem Arbeitsplatz gezogen worden waren. Damals war der Eingang zum Cockpit noch aus Presspappe – hätte das Vorhaben gelingen können? Sowie im Film als auch in der Realität scheiterten sie.

Etwa eine halbe Stunde vor dem dramatischen Ausgang sagt der Entführer zu der Stewardess: „Mach die Tür (zum Cockpit) auf und keinem passiert was.“ Hat sie das damals wirklich geglaubt?

Wir werden jedes Jahr geschult, auch das Thema Flugzeugentführung ist stets dabei. Verständlicherweise kann ich zu Details hier nichts schreiben – aber mit so einem Satz wie oben kommt heute ganz sicher niemand mehr ins Cockpit. Panzertür ersetzt Presspappe, die Küche ist mit Kameras unter ständiger Beobachtung, öffnen lässt sie sich nur durch einen geheimen Code. Aber wird das reichen? Wäre es heute noch möglich, sich auf der Toilette eine Bombe zusammenzubasteln? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer Flugzeugentführung nach 9/11? (Von Copiloten, die spontan Asyl suchen, mal abgesehen…)

9/ 11 hat die Fliegerwelt sensibilisiert und verändert. Jeder, der seitdem geflogen ist, kennt die neuen Sicherheitschecks, Ganzkörperscanner, Flüssigkeiten-Verordnungen, Nagelscheren- und Stricknadelnwegschmeisser-Policies und das ganze Drum und Dran.
Ich muss seitdem, bevor ich meinen Dienst antreten darf, meine Schuhe ausziehen, darf keine Haarspangen aus Metall anhaben, muss die Miene aus meinem Kugelschreiber drehen oder meinen Knirps aufspannen, um zu demonstrieren, dass er nur ein ordinärer Klappregenschirm und kein Mordinstrument ist. Das mache ich ehrlich gesagt zähneknirschend, denn in meinen Augen ist das alles „Kappes“ – wie der Rheinländer sagt. An Bord sind zwei messerscharfe Notäxte mit denen ich sicher mehr Schaden anrichte könnte, als mit einer ordinären Nagelfeile. Aber darum geht es hier gerade gar nicht. Es ist nur das Prinzip und der Wunsch etwas dem entgegensetzten zu können – was eigentlich unmöglich ist.

Ich habe auf einem Flug von Curaçao nach Miami einen Steward von American Airlines kennengelernt. Sein Name war Willie, er war Ende fünfzig und wir klönten über dies und das. Irgendwie kamen wir auch auf den 11. September zu sprechen und er erzählte mir, dass er mit seiner Crew damals gerade in den Bus stieg, als sie einen unglaublichen Knall gehört hatten – der Vogel, der in Washington ins Pentagon gefallen war. Tief betroffen und mit Inbrunst erklärte er mir, dass er es verstehen könne, dass die heutigen Kontrollen so harsch seien. Gerade er, als farbiger Amerikaner, würde immer extra streng kontrolliert werden, aber er würde das verstehen – man dürfe nie wieder in die Situation kommen, Verrückten so eine Macht über den Himmel, das Leben und das Sterben zu geben. Ich war ehrlich beeindruckt und konnte nur nicken.

Ich bin nicht sicher, ob es möglich ist, eine erneute Katastrophe am Himmel zu verhindern. Ich bin mir aber zu 100% sicher, dass wir alles tun werden, was in unserer Macht steht, damit so etwas nicht nochmal passiert. Flugbegleiter zu sein bedeutet eben nicht immer nur „Coffee, tea or me“ und „Wurst oder Käse?“.

Ich grüße Euch ganz herzlich!
Eure Jenny Jetstream

2 Kommentare zu “Flug 93”

  1. Egon Schäfer schrieb:

    „9/11. Ist es wirklich schon 13 Jahre her, als diese Wahnsinnigen fünf Flugzeuge entführt hatten?“???

    Waren es nicht vier Flugzeuge? Was hatte es mit dem fünften auf sich?

  2. Kathrin schrieb:

    Hallo Herr Schäfer,
    Sie haben recht, es waren „nur“ vier Flugzeuge. Ich meine im Hinterkopf zu haben, dass die Entfühurung eines fünften Flugzeuges verhindert worden ist. Aber so ist der Text natürlich nicht schlüssig. Vielen Dank für Ihren Hinweis, ich werde den Text ändern.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Kathrin Leineweber