Flughafen, morgens um 8 Uhr

Autorin: Kathrin
02.06.2014

Ich mag Flughäfen. Neben hunderten von Passagieren tummeln sich hier Koffereinwickler, Reinigungsfachkräfte, Polizeistreifen, Bodenpersonal, Zeitungsmänner, Cafékräfte, Rollstuhlbegleitungen, neugierige Besucher und erwartungsfrohe Abholer. Die Atmosphäre ist immer ein kein wenig aufgeregt, auch wenn jenseits der Hochsaison noch keine langen Schlangen an den Schaltern der Airlines, vor den Toiletten oder an der Security stehen. Reisefieber liegt in der Luft. Es wird geschleppt, geschoben und gezogen, bei manchem lediglich ein leichtes Köfferchen, bei anderen sieht es so aus, als wollten sie auswandern, oder doch wenigstens für mehrere Monate dem nervigen deutschen Wetter entfliehen. Die Gesichter der Menschen sind gehetzt, gelangweilt, aufgeregt, fragend, jedoch selten emotionslos. Tränen rollen vor Freude bei der Ankunft und traurig beim Abflug. Zögerlich füllen sich die überteuerten Cafés und Restaurants, die erste Schlacht der Frühbrigade mit Start um 6 Uhr ist bereits geschlagen. Einen Kaffee für 4,75 € und einen kümmerlichen Blumenstrauß für 20€, so etwas gibt es nur am Flughafen.

Ohne Handy geht kaum noch etwas, für den Abschiedsgruß, für das erste Hallo, die letzten Anweisungen an die Blumengießfrau oder eine nervöse Nachfrage, wo das Empfangskomitee denn wohl bleibt. Vielflieger sparen sich die Bordkarte und checken mit dem Handy ein.

Mein Flughafen ist eine moderne Stahlkonstruktion mit vielen Fenstern, die ovale, langgezogene Form mutet an wie ein spaciges Ufo. Die Destinationen an den Anzeigetafeln versprechen zwar kein Beamen in eine fremde Dimension, aber sie weckt zumindest Fernweh und das reichlich: Wien, Zürich, Moskau, Paris, London, New York, Los Angeles, Phuket, Cancun – kaum eine Himmelsrichtung, die nicht bedient wird.

Wie gern möchte ich mitfliegen! Ich verbinde viele emotionale Erinnerungen mit diesem Airport, gute wie schlechte. Der Brand damals, bei dem so viele Menschen ihr Leben verloren. Nur eine Stunde vorher war ich noch in der Firma. Die Bombenwarnung vor ein paar Monaten, als ein Koffer voll Mehl über Stunden den Herzschlag des Flughafens zum Stillstand brachte. Schöne Stopps auf die Malediven, nach Kapstadt, San Franzisco und in die Dominikanische Republik, bei denen die Kinder mitflogen und lernten, sich alleine in diesem Wust von Menschen zurechtzufinden und sich den richtigen Flieger zu schnappen. Der Sprachurlaub im letzten Jahr, als meine Küken das erste Mal ganz alleine in die Welt hinausflogen und die vielen Stunden bei einem amerikanischen Kaffeeröster, wenn wir als Crew mal wieder auf einen Beförderungsflug warteten.

Der Flughafen ist ein alter Bekannter aber es kribbelt es immer noch, wenn ich hier bin.

Wird mein Flieger pünktlich sein? Bekomme ich den gewünschten Fensterplatz? Wie behandelt mich der Luftsicherheitsassistent? Wer wird im Flugzeug neben mir sitzen? Wird es ein ruhiger Flug werden?

Wenn es mir als Dauerflieger schon so geht, wie mag sich dann jemand fühlen, der nur ein oder zwei Mal im Jahr in den Urlaub fliegt? Wie aufgeregt muss jemand sein, der sich nicht auskennt, schon von der Parkplatzsuche gestresst ist, ständig das Gefühl hat, etwas vergessen zu haben und dann vielleicht auch noch unter Zeitdruck steht?

Es tut manchmal gut, einfach am Flughafen bei einem Kaffee zu sitzen und die Menschen an sich vorbeiziehen zu lassen, ohne eigene Hast oder Zwang. Das ist schöner als Fernsehen! Es macht mir Spaß, zu überlegen, wohin ihre Reise wohl geht oder woher sie gerade kommen. Amüsiert kann ich Touristen beobachten, die in Shorts und Flipflops schlotternd auf ein Taxi warten und sich wundern, warum es Ende Mai morgens erst 9 Grad in Deutschland sind. Ich fühle mit dem Liebespaar, welches sich nach zahlreichen Umarmungen nur widerwillig trennt und ich freue mich für das kleine, braungebrannte Mädchen, welches seiner wartenden Oma fröhlich jauchzend in die Arme hüpft. Ein Flughafen ist ein Schmelztiegel, lebhaftes Sprachgewirr flattert durch die Luft, Kopftücher, Turbane, Kaftane, Baseballcaps, Uniformierte, Anzugträger und der ganz normale Typ in Jeans und Turnschuhen.

Und das wirklich faszinierende an einem Flughafen ist die Mammut Logistik, die hinter diesem bunten Treiben steckt. Wie mein Koffer vom Schalter in den richtigen Flieger findet, der Passagier zu seinem passenden Gate kommt. Die Koordination der Flugsteige, der Maschinen, der Tankwagen, der Kofferdurchleuchtung, die Zusammenarbeit mit den Airlines, dem Tower, der Flughafenfeuerwehr, der Security, die Lader – ein Rädchen greift ins andere, zwingend präzise, meist minutiös. Nicht zu vergessen das bunte Drumherum: die Blumenfrau, der Cafémann, die Toilettenfachkraft, der Verkäufer im Dutyfree-Shop, der Flughafenfrisör, die Postbeamtin und die vielen anderen fleißigen Bienchen, die dem Flughafen erst so richtig Leben einhauchen und den Wartenden die Zeit sowohl angenehm vertreiben als auch ihre Grundbedürfnisse befriedigen. Hunderte Menschen sind verantwortlich dafür, dass die Flieger pünktlich und sicher abheben können. Wie kompliziert und mit Problemen behaftet so ein Zusammenspiel sein kann, lässt sich an anderen Beispielen in der Republik leicht festmachen. Um so beeindruckender finde ich einen reibungslosen Ablauf, ein eingespieltes Ineinandergreifen von so vielen Faktoren, die meinen Job erst möglichmachen.

Ich glaube, ich trinke noch einen Kaffee und schau mir das noch eine Weile an. Ich finde es Betrachtens wert.