MHC

Autorin: Kathrin
10.08.2014

Wer die Abkürzung „MHC“ googelt oder bei Wikipedia nachschlägt, wird sich wundern, zu welch unterschiedlichen Ergebnissen die Eingabe führt. Versteckt sich hinter der Abkürzung ein Mannheimer Hockeyclub? Beschreibt sie die besonderen Gene bei Wirbeltieren, den Haupthistokompatibilitätskomplex, oder ist damit eine Ausbildungsstätte in Massachusetts, das Mount Holyoke College, in dem ausschließlich Frauen gelehrt werden, gemeint? Wer mit der Fliegerei verbunden ist, assoziiert mit dem MHC etwas ganz anderes, nämlich den legendären Mile High Club.

Was ist denn das nun für ein ominöser Club? Gegründet wurde er Gerüchten zur Folge von Lawrence Sperry, der 1916 angeblich ein neues, selbstentwickeltes Autopilot Modell testen wollte und sich derweil mit seiner Flugschülerin Waldo Polk amüsierte. Das Flugboot kam leider im Wasser zum Absturz und erfreulicher Weise konnten beide lebend gerettet werden – allerdings gänzlich unbekleidet. Dies begründete der pfiffige Pilot später mit der Wucht des Aufpralles, der ihnen buchstäblich die Kleider vom Leib gerissen haben sollte. Diese charmante Erklärung veranlasste die Fliegerkollegen aus Solidarität und Bewunderung Sperry zum Gründer des Clubs zu ernennen und als erstes Mitglied des MHC’s zu feiern.

Ich glaube es gibt selten etwas, um das sich so viele bunte Geschichten ranken, obwohl es sich um eine rein virtuelle Existenz handelt. Aber vielleicht liegt gerade darin ja auch der Reiz?

Mitglied werden kann im Mile High Club also nur, wer sich einer amourösen Liaison an Bord eines Flugzeuges hingibt – und bitte eines, das mindestens eine nautische Meile über Grund unterwegs ist. Eine schnelles Stelldichein an Bord eines Museumsstückes oder in der Wartungshalle würde also nicht zur begehrten Mitgliedschaft führen.

Und wie sollte man es als Otto Normalverbraucher denn nun anstellen, in diesen Club aufgenommen zu werden? Möglichkeiten an meinem Arbeitsplatz fallen mir spontan lediglich zwei ein: Das Cockpit oder eine der Toiletten. Ersteres wäre wohl bei den heutigen Sicherheitsbestimmungen ausschließlich dem Personal vorbehalten und die Gefahr bei unbedachten, stürmischen Bewegungen gegen Hebel oder Schalter zu rutschen, die den Flugablauf schlagartig ändern könnten, wäre nicht unerheblich. Außerdem zeichnet ein Rekorder zuverlässig alle Geräusche auf, und zwar nicht nur, wie im Fernsehen und im Kino bei Fliegerfilmen immer behauptet wird, die letzte halbe Stunde. Also fällt dieser Ort des Geschehens schon einmal aus.

Die Toilette als Ort des Amüsements auszuwählen, zeugt meines Erachtens von viel Ehrgeiz, sich einen Traum zu erfüllen. Diese Waschräume sind heutzutage derart platzsparend konzipiert, dass es schon einer besonderen Beweglichkeit bedarf, sich dort zu zweit überhaupt hineinzuzwängen – geschweige denn, sich dann auch noch dort irgendwie zu bewegen.

Was auf Nachtflügen in den Passagierreihen so vor sich geht, kann man in der dunklen Kabine oft nur ahnen. Auf Grund der Enge in der Economy Klasse haben Passagiere ganz abenteuerliche Körperhaltungen entwickelt, um auch auf langen Reisen eine Mütze voll Schlaf zu ergattern, wer weiß denn schon so genau was unter den gebauten Zelten aus Kissen, Decken und Jacken manchmal so passiert? Leise und diskret geht da vielleicht so einiges, was im Brummen der Triebwerke unbemerkt bleibt. Und solange Arme und Beine der Gäste nicht so ungeschickt in den Mittelgang ragen, das es ein Durchkommen unmöglich macht, schreitet man natürlich taktvoll vorbei.

Aber es gibt ja auch noch andere Wege die Mitgliedschaft im MHC zu ergattern, auch wenn nicht jeder die Möglichkeiten der wohlhabenden Prominenz hat. Hugh Heffner, der Herausgeber des Playboys, hat sich mit seinem legendären „Big Bunny“, einer DC 9 mit Diskothek und Rückzugsmöglichkeiten für bis zu 16 Gäste, seine ganz eigene Spielwiese geschaffen. Diese konnte auch gechartert werden, über die genauen Kosten ist leider nichts überliefert.

Wie wäre es denn stattdessen mit einem einladenden Doppelbett in der First Class? Auch wenn eine Asiatische Airline bei der Auslieferung Ihrer 380er die Kunden hat wissen lassen, dass Sex an Bord nicht erwünscht ist, weil die Doppelkabinen zwar äußerst komfortabel, aber leider nicht schallisoliert seien – verboten ist der intensive Umgang miteinander an Bord eines Flugzeuges eigentlich nicht. Er wird genau wie am Boden als Verstoß gegen die Sitten und die Ordnung geahndet und das gilt ja bekanntlich nur, wenn man sich dabei auch erwischen lässt. Im Gegensatz zu den eher zurückhaltenden Asiaten gibt es im übrigen andere Airlines, die ihre Doppelbetten extra so ausgerichtet haben, dass auch der gründliche zwischenmenschliche Kontakt, so er denn gewünscht wird, möglich ist. Leider hat das dann im Vergleich zu einem Platz in der Economy immer noch seinen Preis.

Etwas günstiger als ein First Class Ticket über den großen Teich ist das Angebot eines geschäftstüchtigen amerikanischen Anbieters: Ein einstündiger Rundflug kostet nur 599$ nebst Zertifikat und Souvenirbettwäsche. Oder beinhaltet so etwas profan Geplantes dann nicht mehr genug Abenteuer?

Für mich wäre das ehrlich gesagt alles nichts, aber wie sagte meine Oma schon immer: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.“ Ich habe zwar nach wie vor keine Kondome dabei, die ich Passagieren spontan anbieten könnte, (ehrlich gesagt ist mir das auch erst drei mal in 25 Jahren an Bord passiert, dass mich jemand danach gefragt hat und das ist auch schon ziemlich lange her), aber wenn es wirklich ein Herzenswunsch sein sollte – ich verrate ganz sicher nichts. Ich schmunzle höchstens leise, leise und diskret.