*Pilotenstreik*

Autorin: Kathrin
14.04.2014

Eigentlich hatte ich gedacht, dass Thema sei längst „abgefrühstückt“, aber ich werde im Dorf immer noch auf den Streik der Lufthansa Piloten angesprochen. Ist ja auch wirklich eine Frechheit , wie Großverdiener den Hals nicht vollkriegen und auf Kosten unschuldiger Passagiere in die dicke Lohntüte noch mehr Geld fordern!

Tut mir leid, ich bin zwar weder Pilot, noch bei der Lufthansa, aber wenn man sich echauffiert, sollte man sich vorher auch gut informieren. Beim Streik letzter Woche ging es gar nicht um mehr Geld, sondern um die Übergangsversorgung. Wenn man mit 55 in Rente geht, braucht man eben ein Auskommen, bis die gesetzliche Rente greift. Und ich finde absolut nichts verwerfliches daran, wenn man für sein gutes Recht kämpft, das tun andere Berufszweige ganz genauso. Über jeden Streik wird sich aufgeregt, natürlich besonders, wenn man persönlich auch noch betroffen ist. Aber gerade bei den Piloten ist es immer unverschämt, vermessen und völlig übertrieben, denn die verdienen ja eh schon soviel.

Mir ist nicht bekannt, dass es in Deutschland eine Gehaltsobergrenze gibt. Bis dahin darfst du als rechtschaffender Bürger verdienen, alles was darüber hinausgeht wird diskret verschwiegen. Streiken, also Rechte als Arbeitnehmer einzufordern, dass geht nur bis Summe X, oder wie?

Vielleicht können diejenigen, die sich so aufplustern, mal überlegen, wie viel ein junger Mensch in seine Ausbildung investiert, wenn er unbedingt Pilot werden will. Kann ich genau vorrechnen, unser ältester Sohn hat es gerade gemacht: Knapp zwei Jahre Ausbildung in Deutschland und Amerika und in etwa 70 000 Euro versenkt. Nun ist er arbeitslos und hat einen riesigen Schuldenberg am Hals, da es momentan Piloten in hiesigen Gefilden wie Sand am Meer gibt und er ohne Flugstunden auch keine Chance hat, in die große Sandkiste oder nach Asien zu gehen.

Also jobbt er erst mal am Flughafen als Rampagent und wartet auf besseres Wetter am Pilotenhimmel. Natürlich muss er in der Zwischenzeit genügend Stunden auf eigene Kappe fliegen, um die Lizenz zu erhalten; eine Pilotenlizenz ist ja kein lebenslanger Führerschein, dafür muss man schon was tun.

Wenn er es denn schafft, bei einer kleinen Airline einzusteigen, dann kann er erst mal Geld zum Fliegen mitbringen. Nach Abzug aller Kosten für die Rückzahlung des Darlehens bleibt unterm Strich eine rote Null und die Käsebrote werden wieder zuhause bei Mutti am heimischen Herd geschmiert, weil das Geld einfach nicht reicht. Alternativ könnte man nebenbei noch Taxi fahren. Man sieht – um Pilot(in) zu werden braucht es einen harten Willen. Man fliegt millionenschweres Gerät durch die Gegend, hat die Verantwortung für hunderte von Menschenleben und die ersten Jahre erst mal absolute Trockenzeit im Portemonnaie.

Nun mag es etwas entspannter aussehen, wenn man seine Ausbildung direkt bei Lufthansa macht und dann dort in Lohn und Brot steht. Das bezweifle ich nicht. Nichtsdestotrotz ist auch dort die Ausbildung nicht kostenfrei und will erst einmal erflogen sein. Und wenn man dann einen Arbeitsvertrag unterschreibt, der einem gewisse Rechte zusichert, die der Arbeitgeber dann auf einmal nicht erfüllen will, weil es besser kommt, den Aktionären Geld auszuschütten, als sich an die vertraglichen Vereinbarungen zu halten, dann kann einem schon mal die Hutschnur platzen.

Es kann doch wohl nicht angehen, dass Lokführer und Busfahrer streiken dürfen, aber Piloten lieber nicht, weil diese ja sowieso im obersten Segment verdienen. Solche Vergleiche werden ja immer gerne gezogen, ein Pilot ist ja eigentlich nichts anderes als ein Busfahrer, oder etwa nicht?

Natürlich hat jeder, der in der Personenbeförderung arbeitet, eine hohe Verantwortung, dennoch hinkt der Vergleich. Muss ein Lokführer alle halbe Jahr zum Simulator und zum ärztlichen Check Up? Gibt es bei der Bahn auch Jetlag und außergewöhnliche Strahlenbelastung? Muss er seinen Fahrplan nach den aktuellen Wetterdaten berechnen, Sprit kalkulieren im Falle eines Falles spontan Plan B und C in der Tasche haben?

Wenn die „Bude brennt“, dann möchte doch jeder gerne einen Top Piloten da vorne sitzen haben, so einen wie Kapitän Sullenberger, der auf dem Hudson das Unmögliche möglich gemacht hat. Bis heute hat niemand im Simulator diese Notlandung nachfliegen können. Im Notfall ist ein Pilot sein Geld also wert?

Was die ganzen Nörgler und Kritiker außer Acht lassen: Es geht hier nicht nur um einen Kampf zwischen Piloten und einer Fluggesellschaft. Es geht hier um den Abbau und die Vernichtung von zugesicherten sozialen Leistungen. Erst kommen die Piloten dran, danach die Flugbegleiter und wenn die Arbeitgeber damit durchkommen, dann geht es auch dem „Ottonormalverbraucher“ an die Betriebsrente. Und dann ist das Geschrei erst recht groß, weil es dann nicht mehr nur die Großverdiener angeht, sondern auch den kleinen Mann. Also lasst doch bitte die Piloten kämpfen und diesen Neid einfach weg. Die Ausbildung kann sich doch in Deutschland jeder nach seinen Fähigkeiten selbst aussuchen.

4 Kommentare zu “*Pilotenstreik*”

  1. Ingo schrieb:

    Von Prinzip hatte ich bereits am ersten Tag des Streiks genau das Gleiche auf meinem Blog gepostet: http://www.reise-wahnsinn.de/kommentar-zum-streik-der-lufthansa-piloten/27146

  2. Kathrin schrieb:

    Lieber Ingo – da gebe ich Dir vollkommen Recht – gleiches Thema, gleicher Input.
    Wie schön, dass es noch mehr Menschen mit meiner Meinung gibt. Morgen früh wird meine Kolumne auf Airliners.de erscheinen und man prophezeit mir niederschmetternde Kommentare. Was mir dann eigentlich nur zeigt, dass die Medien es geschafft haben, ein wunderbar schiefes Bild der aktuellen Situation zu kommnunizieren.
    Es geht hier mitnichten um Pilotengehälter, sondern unser aller per Vertrag zugesicherten sozialen Leistungen. Es geht auch um meine Übergangsversorgung als Flugbegleiter. Und im Prinzip um jede soziale Leistung, die ein Unternehmen seinem Arbeitnehmer zugesichert hat – auch weitab von der Aviatik. Es geht hier ums Prinzip und das Recht des kleinen Mannes.Aber viele haben das auf Grund von falscher oder einseitiger Berichterstattung gar nicht erkannt.
    Viele Grüße,
    Kathrin

  3. Silke schrieb:

    Hallo liebe Kathin,

    mein Mann, als Pilot bei LH beschäftigt, wurde während des Streiks häufig angesprochen. Der überwiegende Tenor spiegelte wider, was du oben beschrieben hast. Sicherlich (be)urteilen einige Personen in dieser Weise, da die Berichterstattung nicht ganz ausgewogen sein mag, aber auch viele Nachteile und Herausforderungen dieses Berufes nicht bekannt sind.
    Zunächst einmal steht es jedem frei sich auch als Pilot zu bewerben, aber nur unter 10% schaffen den Test. Ergo, bedarf es schon einer besonderen Begabung. Besondere Qualifikation wird besonders bezahlt. Bezugnehmend auf den Vergleich mit Lokführern und Busfahren möchte ich noch ergänzen, dass sich Piloten im dreidimensionalen Raum bei ihrer Arbeit befinden und sich daraus erhöhte Anforderungen ergeben. Übrigens, dass z.B. Fußballer, aufgrund ihrer sportlichen Begabung Millionen verdienen, stellt doch auch keiner infrage.
    Wenn man die Hürden der Bewerbung genommen hat, ist ja erst einmal die Ausbildung zu bezahlen, wie du anschaulich beschrieben hast. Auch die Piloten bei LH befinden sich mitunter in der Warteschleife und arbeiten in dieser Zeit z.B. als Flugbegleiter in der Kabine. Auch hier mal wieder ein Vergleich: Im Gegensatz zu den Studenten, die ihr Studium auf Staatskosten finanzieren, kosten die Piloten in der Ausbildung den Staat gar nichts und danach zahlen sie kräftig Steuern. Natürlich nicht ganz so kräftig von Beginn an, denn in der Berichterstattung wird zwar immer das hohe Durchschnittsgehalt genannt, aber diese Gehälter beziehen Piloten erst in der Endstufe ihres Berufslebens und nicht während der gesamten Berufslaufbahn.
    Du hast schon viele Nachteile, wie die Strahlenbelastung, die mehrmals jährlichen Simulatorchecks und die sehr strengen regelmäßigen medizinschen Untersuchungen genannt. Hieraus entsteht die Verpflichtung auch in seiner Freizeit verantwortungs- und gesundheitsbewusst zu leben. Verletzungen durch bestimmte Sportarten können schnell die Flugdienstuntauglichkeit nach sich ziehen. Aber auch weniger dramatische Alltagsereignisse sind von Bedeutung. Um der hohen Verantwortung mit voller Konzentration gerecht zu werden, richtet sich auch der Alltagsablauf nach dem Dienstplan. Am Wochenende kann mein Mann oft nicht mit der Familie oder Freunden bei schönem Wetter Geburtstag feiern, da bei ihm um 20:30 Uhr das Licht aus geht, um für den Langstreckenflug am nächsten Morgen fit zu sein. Unausgeschlafen und unkonzentriert zum Dienst geht nicht. Piloten tragen die Verantwortung für einige hundert Menschen und teures Material. Damit sind wir beim Thema Sicherheit; die meisten Piloten fliegen ohnehin über das 55 igste Lebensjahr hinaus, d. h. nur eine Minderheit nimmt die Übergangsversorgung mit 55 überhaupt in Anspruch. Aber wer sich dafür entscheidet hat bestimmt seine Gründe. Ein guter Grund kann sein, dass man sich den immensen Anforderungen dieses Jobs nicht mehr gewachsen fühlt. Diesen Piloten sollte auch weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, ihr Berufsleben würdevoll zu beenden. By the way, ich möchte nicht gern mit jemandem fliegen, der sich eigentlich nicht mehr fit fühlt, aber aufgrund finanzieller Gegebenheiten bis zur Erreichung der Regelrente fliegen muss. Wenn dann etwas passiert, melden sich dann die gleichen Kritiker wie jetzt wieder zu Wort?
    Du hast es sehr treffend formuliert, diese Errungenschaft bestimmter sozialer Leistungen hat unseren Staat bisher ausgezeichnet, die Menschen sollten nicht zugunsten von Gewinnmaximierung auf der Strecke bleiben.
    Ich wünsche mir für diese aber auch andere Diskussionen die Bereitschaft einmal einen Perspektivwechsel einzunehmen. Das mag zu mehr Verständnis füreinander führen. Oft entdeckt man dabei, dass man sogar ähnliche Interessen hat und nur die Positionen sich unterscheiden.
    In diesem Sinne
    viele Grüße
    Silke

  4. Astrid schrieb:

    Hallo Kathrin,

    Es wäre schön gewesen, wenn die Medien den Pilotenstreik so geschildert hätten, wie du und Ingo es getan haben. Aber wie ich schon im Forum (Treffpunkt Flugangst) geschrieben habe, habe ich nicht den Eindruck, dass die Medien von ihrer einseitigen Berichtserstattung wirklich abrücken wollten. Anders kann ich mir ihre Sturheit nicht erklären, denn es gibt sehr wohl Quellen um rauszukriegen, warum dieser Streik notwendig war. Man hat zwar Mitglieder der Vereinigung Cockpit zu Wort gelassen. Aber wirklich berücksichtigt bei der Aufklärung wieso und wie der Pilotenstreik zu Stande gekommen ist, hat man nicht für nötig gehalten.

    Es immer gut über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Natürlich ist so ein Blick auf den Pilotenalltag sehr interessant und sehr lehrreich. Und keine Frage man versteht schon, warum einige Piloten mit 55 J. so ausgebrannt sind, dass sie ihren Job nicht mehr ausüben können. Das ist vielleicht, das positive an so einen Streik, das man mehr über die Vor- und Nachteile eines Berufes kennenlernt.

    Leider hat diese blöde Reiterei auf dem Gehalt und der angeblichen Lohnerhöhung, den wahren Grund, worum es den Piloten hier eigentlich geht zur Randsache gemacht. Nämlich, dass es hier um einen Tarifbruch von Arbeitgeberseite geht. Hier wollte der Arbeitgeber als Tarifpartner eigenmächtig handeln und in einem bestehenden Tarifvertrag eingreifen. So was nennt ist einfach unakzeptabel. Da spielt es eigentlich auch keine Rolle um welchen Beruf es hier geht. Ein Tarifbruch ist in keinen Job akzeptabel und ich hoffe, dass Lufthansa damit nicht durch kommt. Denn wenn es jetzt die Piloten trifft, die ja nur die Vorreiter waren, trifft es dann auch noch andere Berufssparten bei Lufthansa. Und ich denke, man muss kein Prophet sein, das andere Firmen sich das abkucken werden. Was das heißt, kann sich jeder selber ausmalen.

    Viele Grüße,

    Astrid