Unser aller Himmel

Autorin: Kathrin
31.07.2014

Letzten Sonntag kam ich von einem Flug nach Palma, ein netter kleiner Trip auf die Balearen, wenn man von der fürchterlichen Check In Zeit um 4.40 h lokal einmal absieht. Es war anzunehmen, dass einige unserer Passagiere auf Grund der frühen Uhrzeit wahrscheinlich gar nicht vorher geschlafen, sondern direkt in ihren Urlaub hinein gefeiert hatten. Der Kapitän rief mich während des Boardens ins Cockpit, er hätte einige junge Leute mit Bierbüchsen in der Hand auf dem Weg zum Jetway gesehen, die sollte ich mir doch bitte einmal genauer anschauen. Ob sie noch flugtauglich seien? Die geöffneten Halbliterdosen blieben ohne viel Federlesens in unserer Kombüse, aber einem Flugantritt stand auch seitens der Partylöwen nichts im Weg. Um 5.45 h waren wir schon fix und fertig zum Start, nun mussten wir nur noch warten, bis der Flughafen um Punkt 6 seine Tore öffnete.

Unser kurzer Flug verlief reibungslos. Nur die Bierbüchsenfraktion beschwerte sich über die zu kühle Temperatur im Flugzeug. Ich hatte die Kabine auf kuschelige 25 Grad geheizt, vielleicht war die Reisegarderobe der Herren – kurze Hosen und Muskelshirt – doch nicht adäquat für eine Flugreise. Oder forderte die Übermüdung ihren Tribut? Wir erreichten Palma überpünktlich um 7.50 h bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel.

Kaum war der letzte Gast von Bord, sprang der spanische Rampagent sportiv herein und trällerte: „Können wir in acht Minuten einsteigen lassen?“Anscheinend musste es auf dem Rollfeld schon sehr heiß sein – in acht Minuten würden weder die Meister-Proper-Feen es geschafft haben, unseren großen Vogel zu reinigen, noch wäre das benötigte Kerosin den Tanks einverleibt worden. 19 Tonnen Heimflugsprit brauchten mindestens 20 Minuten, das sollte am Flughafen bekannt sein. Okay, man könnte mit Tankschutz Boarden, aber auch das musste erst mal organisiert werden. Ich verneinte bedauernd. Der Rampagent schaute verständnislos, schüttelte sich wie ein nasser Hund, grinste und hüpfte wieder aus dem Flieger. Er hatte noch diverse andere Maschinen zu betreuen und wie jedes Jahr fielen die Sommerferien in Deutschland anscheinend aus heiterem Himmel in Palma ein.

Immerhin kam er erst nach 16 Minuten wieder, vielleicht meinte er ja auch spanische Minuten, der Begriff ist ja mitunter dehnbar. Wir begannen mit unseren Rollstuhlgästen, danach stiegen auch alle anderen ein. Es gab nur eine Fehlbelegung von Sitzplätzen und eine Familie, bei der die Mutter unter starker Flugangst litt. Ich versprach, mich nachher um sie zu kümmern.

Erst hieß es, wir haben einen schlechten Slot, dann musste es doch wieder alles ganz schnell gehen. Beim Start könnte ich von meinem Platz aus sehen, wie die flugängstliche Dame mit ihrem Mann über den Gang krampfhaft Händchen hielt und nachdem die Crew aufstehen durfte, ging ich zu ihr hin.

“ Sie fliegen wirklich nicht gerne, oder?“, fragte ich.
“ Nein, ich finde es schrecklich! „, flüsterte sie.
“ Haben Sie denn einmal schlechte Erfahrungen gemacht, oder bedrückt Sie es einfach nur so?“
Die Passagierin erzählte mir, dass sie fliegen immer schon schrecklich fand. Dieses eingesperrt sein und dieser Kontrollverlust würde sie ganz verrückt machen. Früher war das schon schlimm, aber seitdem die Kinder da seien, wäre es die Hölle.
„Haben Sie denn beim Bus- oder Bahnfahren auch so eine Angst? “
Erstaunt sah sie mich an.
“ Oder beim Autofahren?“
“ Nein. Habe ich nicht. Aber da kann ich ja auch nicht abstürzen. Fliegen wir denn durch ein Gewitter?“

Es folgte ein längeres Gespräch mit vielen Erklärungen. Dass Piloten heutzutage nicht durch Gewitter fliegen würden. Dass der Kontrollverlust in Bus, Bahn und Auto genauso stattfindet, nur nicht so offensichtlich. Dass sehr viel Flugangst mit Nichtwissen einhergeht, weil es einfach nicht so selbstverständlich ist, wie ein kurzer Sprung ins Auto, welches man wohlmöglich noch selbst lenkt. Ist Autofahren deshalb sicherer? Was ist mit dem übermüdeten LKW Fahrer auf der Autobahn, dem Geisterfahrer, der einen Sekunde, die man im Straßenverkehr nicht aufpasst?

“ Ja, aber man liest gerade jetzt so viel in der Zeitung. In einer Woche drei Flugzeuge! Haben Sie gar keine Angst? Wie fühlen Sie sich denn dabei?“

Nein, an Bord meines Flugzeuges über dem Mittelmeer habe ich keine Angst. Ich fühle mich betroffen. Mein vollstes Mitgefühl gilt den verunglückten Crews, den Passagieren und deren Angehörigen. Natürlich sind die Vorfälle tragisch und es gibt noch ungezählte unbeantwortete Fragen. Antworten, die wir vielleicht nie bekommen werden. Nichtsdestotrotz geht das Leben weiter. Und wir dürfen uns nicht selbst zu Opfern machen, indem wir den Kopf in den Sand stecken. Im Sand nützt er nichts, wir müssen denjenigen die Stirn bieten, die wegen Geldgier und falschen Idealen Angst und Terror verbreiten.

„The sky is the limit“. Lassen wir ihn uns nicht wegnehmen!