Zeitungen an Bord

Autorin: Kathrin
06.04.2014

Zeitungen und Zeitschriften haben heutzutage beim informationsdurstigen Publikum einen schweren Stand – der Druck durch Radio, Fernsehen und Internet auf die Printmedien ist groß. Auch diese Kolumne hat seine Heimat schwerelos im world wide web.

Zeitschriften an Bord eines Flugzeuges haben inzwischen etwas nahezu nostalgisches, die „Bild“ oder die „Gala“ gehörten zu einem perfekten Urlaubsflug genauso dazu, wie die abgepackte Marmelade zum Gummibrötchen und die Sektfreiabgabe. All dies ist nun Geschichte, etwas auf Papier zu lesen gibt es in der Economy Klasse seit Anfang des Jahres bei uns nicht mehr.

Niemanden freut das mehr als mich! Vorbei die endlose Schlepperei von unförmigen Zeitungsstapeln, fein verzurrt mit bockigen, scharfkantigen Plastikstrapsen, die man ohne Schere und Messer – an Bord leider strengstens verboten! – kaum aufbekam. Vorbei das Gewühle beim Einsteigen in den verschiedenen Stapeln, welches das Boarden unnötig in die Länge zog. Vorbei die Hamsterei der ersten fünfzig Gäste, die für einen knapp zweistündigen Flug nach Palma vier Illustrierte und drei Tageszeitungen nahmen und uns einen fragenden Blick schenkten, wenn man ihnen für ihre Reiseunterhaltung wortlos lächelnd eine Tragetasche anbot. Wagte man es gar, freundlich daraufhin zu weisen, dass die nachfolgenden 250 Gäste sich auch sehr über ein wenig Lektüre freuen würden, erntete man einen bösen Blick, alternativ einen dummen Spruch und im schlimmsten Fall wurde der eingeheimste Stapel Zeitungen uns in der Küche beleidigt vor die Füße geworfen. Dieses Verhalten ist genauso wenig charmant und mitdenkend, wie das der Gäste, die in Reihe 30 einen Sitzplatz haben und in Reihe 2 und 3 schon mal ihr schweres Handgepäck deponieren, damit sie es nicht mühsam durch die ganze Kabine schleppen müssen. Rücksichtnahme? Leider Fehlanzeige.

Wie schön, dass dies nun wenigstens auf den touristischen Strecken ein Ende hat – zumindest der Teil, der die Lektüre betrifft.

Kann man denn wirklich einen Flug respektive eine Airline danach bewerten, wie viel kostenloser Klatsch und Tratsch im Reisepreis inbegriffen ist? Ich habe dieses Lesedefizit-Drama noch nie wirklich verstanden, da es in wirklich jedem deutschen Flughafen gutsortierte Kioske gibt, die für wenige Euro das Lesematerial der persönlichen Bevorzugung anbieten. Nie werde ich allerdings die griesgrämigen, spöttelnden und enttäuschten Gesichter der Gäste vergessen, die als letztes einstiegen und die zweifelhafte Wahl zwischen einer einsamen „PC-Welt“, einer dem Alter nicht (mehr?) entsprechenden „Eltern“ und einem trockenen „Handelsblatt“ hatten. So konnte man natürlich nicht entspannt in den Urlaub starten. Aber mal ehrlich – ist die persönliche Erwartungshaltung da nicht einfach zu hoch?

An die fragenden Gesichter und stichelnden Sprüche einiger Passagiere unsere neue Lektüre-Wüste betreffend habe ich mich recht schnell gewöhnt: „Sie müssen wohl sparen, wie?“ und „Ist das jetzt auch wegrationalisiert worden?“ heißt es neuerdings beim Einsteigen.

Ja, genauso ist das leider. Auch wenn es seitens der Chefetage erklärend heißt, dass die Statuskunden mehr Beachtung finden müssen (mit Zeitungen und einer Vielzahl von bunten Illustrierten in der Lounge) und der Otto Normalflieger dann eben auf ein geschrumpftes Produkt zurückgreifen muss – alle deutschen Fluggesellschaften müssen sparen. Die eine streicht die Zeitungen, die andere berechnet akribisch Übergepäck und die dritte lässt sich vielleicht etwas ganz anderes einfallen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wie wär es denn mit Toiletten mit Münzeinwurf? Oder eine saftige Zusatzgebühr für jedes zu große Stück Handgepäck? Marmeladenpöttchen zum „Frühstück-selbstdesignen“ sind einem zweifelhaften Sandwich zum Opfer gefallen und die bunten Blättchen gibt es nun eben auch nicht mehr – die Zeiten in der Fliegerei sind hart. Ganz pragmatisch betrachtet bedeutet kein Lesematerial an Bord weniger Kerosinverbrauch durch fehlendes Gewicht, ein schnelleres Boarden, schnellere Reinigung und damit kürzere Turn-around-Zeiten. Und Zeit ist ja bekanntlich auch Geld im Big Business, aber eigentlich wollte ich gar nicht über Sparmaßnahmen philosophieren.

Die Frage, die sich mir stellt, ist nämlich die: Kann man anhand des Zeitschriftenangebotes die Qualität einer Airline bewerten? Wie denken sich das manche Gäste eigentlich: Nagelneues Fluggerät, topgeschultes Personal, mindestens zehn Anflüge pro Tag und Destination, 30 Kilo Freigepäck und das Ticket mit unbegrenzten Last- minute -Stornomöglichkeiten für 19 Euro?

Dazu fällt mir leider gar nichts ein, außer vielleicht den altbekannten Argumenten: In Asien geht das ja auch – 25 Flugbegleiter, 6 Mann im Cockpit und Service bis zum Umfallen! Dem Passagier wird jeder Wunsch von den Augen abgelesen und Lesematerial gibt es neben Alkoholfreiabgabe und deliziösen Mahlzeiten bis zum Abwinken. Natürlich geht das in Asien. Ein deutsches Qualitätsprodukt hat sich preislich immer schon von einem asiatischen Mitbewerber unterschieden, auch oder gerade wenn man mal von der Aviatik abschweift. Darüber lässt sich hier nicht streiten, denn der deutsche Urlauber muss hierzulande buchen, was ihn von seinem Heimatflughafen gut und vor allem sicher in den Urlaub bringt.

In Zukunft wird das bei uns leider ohne Regenbogenpresse und intellektuelle Schriften sein. Nichtsdestotrotz freuen wir uns sehr auf unsere Passagiere! Vielleicht bleibt dann mal wieder Zeit für einen Klönschnack untereinander, ein erholsames Nickerchen oder einen gespannten Blick aus dem Fenster. Sollte die Streckenanzeige gerade nicht verfügbar sein, frage ich auch gerne mal beim Piloten nach, wo wir gerade sind. ☺

5 Kommentare zu “Zeitungen an Bord”

  1. Helga Fellner schrieb:

    Ich freue mich immer auf die Zeitungen im Flieger – da kann man wirklich einmal in Ruhe und ungestört lesen….Schade, wenn diese Annehmlichkeit für den Passagier abgeschafft wird.
    Da wird man sich halt dann eine andere Fluglinie mit einem besseren Service suchen müssen…

  2. Kathrin schrieb:

    Liebe Frau Fellner,

    vielen Dank für Ihren Kommentar.
    Ich frage mich jedoch, ob Sie auch bei jeder Reiese zu Ihrer Wunschlektüre kommen? Gehörten Sie immer zu den ersten, die an Bord kamen und noch freie Auswahl hatten? Schon beim neuen Boardingsystem (nach Gruppen oder nach Sitzreiheh, je nach Airline) haben Sie kaum noch einen Einfluss, wann Sie einsteigen dürfen und ob dann noch das assende zu Lesen da ist. Natürlich ist es schade, wenn dererlei Annehmnlichkeiten gestrichen werden, jedoch kann es mir kaum vorstellen, dass man Qualität und Leistung einer Fluggesellschaft an dem Vorhandensein von Pressematerial misst.

    Mit freundlichen Grüßem,
    Kathrin Leineweber

  3. Richard Krauss schrieb:

    Als Fluggast empfinde ich es nach einem längeren Urlaub oder auf meinem Weg an meinen Einsatzort angenehm eine FAZ,SZ,NZZ oder eine andere Zeitung des Zielgebietes zu lesen. Doch jedes Gramm Ballast kostet Kerosin und die Halbwertszeit dieser Printmedien ist nach einigen Stunden Flug erreicht. Papierverschwendung mit News, die gestern bereits online zu lesen waren ? Nun ein gutes Buch wäre meine Empfehlung in echt oder auf Tablet.

    In der Tat sollte die Qualität von Airlines an bedrucktem Papier gemessen werden. Danke für Ihre lesenswerte Kolumne über die wir auch in unserem Twitter Ticker heute berichten.

  4. Stefan Mödl schrieb:

    Es gibt relativ wenige Zeitschriften und Zeitungen, die mich wirklich interessieren, und wenn ich ab meinem Heimatflughafen Hamburg abfliege, bekomme ich diese in der Regel auch schon am Gate anstelle an Bord. Ich kann damit leben, und zur Not habe ich immer ein Buch dabei (das ist so ein Teil mit Seiten, die muss man noch per Hand blättern).
    Ich kann Ihrer Argumentation folgen, Kathrin, und Nörgler wird es immer geben. Witzigerweise habe ich den Eindruck gewonnen, bei Flugreisen prozentual mehr hochnäsige Wichtigtuer anzutreffen als in einem Zug oder gar einem Reisebus…

    Schöne Grüße + gute Flüge
    Stefan

  5. Kathrin schrieb:

    Hallo Stefan,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Musste leise schmunzeln…

    Herzliche Grüße in meine alte Heimat Hamburg,

    Kathrin Leineweber