Kinder, Kinder

Autorin: Kathrin
19.02.2014

Mit kleinen Kindern zu reisen, kann mitunter anstrengend sein. Vor allem mit den lieben Kleinen, die noch nicht stundenlang das Filmprogram verfolgen und dabei fasziniert zur schweigenden Salzsäule erstarren, die lediglich ab und zu mit ein paar Gummibärchen oder einer Cola – natürlich nur ausnahmsweise, weil Urlaub ist! – versorgt werden muss. So werden Kinder an Bord am liebsten gesehen: Still, verträumt am Daumen nuckelnd, vertieft in ein Bilderbuch oder gefesselt aus dem Fenster starrend. Hauptsache, man sieht und hört sie nicht.

Nun ist nicht jedes Elternpaar dazu berufen, den eigenen Nachwuchs über die gesamte Dauer des Fluges zu bespaßen. Da macht sich dann seitens der Kurzen schnell Langeweile breit und die muss natürlich bekämpft werden. Man könnte zum Beispiel die Knöpfe in der Armlehne ausprobieren: einer macht das Licht Diskomäßig an und aus, der andere produziert jedes Mal ein lustiges, lautes ‚Ping’. Wird das langweilig, lässt sich die Fensterblende rauf- und runterziehen: ‚Rumms’, Sonne und Wolken weg, ‚Schwupp’, Sonne und Wolken wieder da. Nach dem 118. Mal ,Rumms’ dreht die Oma auf dem Vordersitz sich um und kuckt böse. Das Ergebnis ist zuerst eine vorgeschobene Unterlippe, die spätestens wenn die hitzige Diskussion zwischen älterer Dame und den Eltern einsetzt, ob das Kind hyperaktiv ist und sie es etwa nicht im Griff hätten, in einem Tränenausbruch endet, die einem felligen Nordseeheuler problemlos Konkurrenz machen würde.

Tiefenentspannte Eltern lassen ihr Kleinkind direkt selbstständig durch die Kabine laufen – es gibt in einem Flugzeug ja so viel zu entdecken! Und verloren gehen kann es ja nicht. Da können die Wundertüten mal in leere Trolleys krabbeln, sämtliche Kopflatze einsammeln und auf einen Haufen werfen, auf dem dunkelblauen Teppich geheime Fährten aus Brotkrumen, Keksbröseln oder Salzstangen legen, testen, wie lang die gekordelte Schnur des Bordtelefons ist, wenn man nur kräftig genug daran zieht oder von hinten dem am Trolley stehenden Flugbegleiter mit feuchten, klebrigen Händchen an die bestrumpfhosten Beine fassen und sich über das erschrockene Gequieke freuen. Hinsetzen? Anschnallen? Um Gottes Willen – das Kind ist doch noch so klein und kann sich noch nicht 4, 6 oder 10 Stunden alleine beschäftigen, das müssen die Flugbegleiter und die mitreisenden Gäste doch einsehen!

Mal ehrlich – wir Flugbegleiter sind da ziemlich abgehärtet. Die Kinder können ja nichts dafür. Manches Kind kann eben nur auf die Toilette gehen, wenn der Papi mitgeht und bei der Verrichtung das ‚Tablet’ mit dem Lieblingsfilm weiter vor die Nase hält. Glauben Sie nicht? Alles schon erlebt. Dass Kinder beim Bordpersonal eine Masseurin für ihre Barbiepuppe verlangt haben, kenne ich nur aus dem Internet, dass dem gelangweilten Kind das Smartphone zum befummeln und belutschen gereicht wird, ist im Flieger ‚daily life.’ Wir bieten bei dauerplärrenden Kindern gerne unser ‚Special Kinderentertainment’: Das reicht von ‚Duzi, Duzi’ machen, über zahlreiche Fingerreime und Füße killern bis zum Anreichen eines Müllkorbes. Ein Müllkorb? Ja, genau. Das Kind fühlt sich sofort wichtig, in die Abläufe an Bord integriert, wird stolz wie Oskar benutzte Plastikbecher und zerknüllte Servietten der Passagiere einsammeln und – natürlich gegen leckere Belohnung – in der Bordküche wieder abgeben. Manche Airlines beschäftigen extra ‚Skynannies’, die sich auf ausgewählten Strecken die ganze Zeit um den Kunden von Morgen kümmern, Origamis falten, schöne Bildchen malen und natürlich vorlesen. Bei uns ist jeder Flugbegleiter eine Skynanny, das läuft alles noch so nebenbei.

Manchmal geraten allerdings auch wir an unsere Grenzen, etwa auf dem letzten Flug nach Arrecife, als sich ein Zweijähriger permanent in die dunkelblaue Gardine eingewickelt hatte und dabei lautes Tarzan-Geheule von sich gab. Ich sah die Gardinenstopper schon fliegen und bat das Energiebündel, den Vorhang hängen zu lassen, da dieser mitnichten eine Liane sei. Das Kind war nicht im mindesten beeindruckt, sondern schwang sich weiter fröhlich an dem Stoff hin- und her, der zuvor schon für ausgiebige Kuckuck-Spiele Verwendung fand.
Als ich mich an die Eltern wandte und ihnen freundlich erklärte, dass dieser Vorhang zur Abtrennung des Sicherheitsbereiches zum Cockpit diene und daher nach Möglichkeit geschlossen zu sein hat und ob sie ihren kleinen Dschungelhelden nicht für die restliche Flugzeit vielleicht anderwärtig beschäftigen könnten, stellte man konsterniert und unisono fest:
„Sie haben ja wohl gar keine Ahnung von Kindern! Der Kevin ist doch erst 23 Monate alt! Wie soll der denn das verstehen?“

Ich liebe Kinder – ich habe selber einen ganzen Stall davon – aber eben doch nicht alle. Auf diesem Flug freute ich mich zugebener Maßen über das leise ‚Ping’ der aufleuchtenden Anschnallzeichen und meine Gedanken flitzten ganz kurz zu den Betreuern des Bambini-Clubs, die dieses Energiebündel vierzehn Tage lang am Stück beschäftigen dürfen. Mir haben die vier Stunden schon gereicht.

Vielleicht bis zum Rückflug, Klein-Kevin?