Passagieransagen

Autorin: Kathrin
26.05.2014

Das Bordmikrophon und die automatischen Ansagen in diversen Fremdsprachen sind mit äußerster Vorsicht an Bord zu behandeln. Was nicht heißen soll, seine Ansagentexte nur stumpf auswendig gelernt herunter zu leiern und sich dabei am besten noch hinter dem Vorhang vor den Gästen zu verstecken, um sich ja nicht ablenken zu lassen, verbal zu stolpern oder etwas falsches zu sagen. Ein bisschen Rückgrat braucht es da schon, wenn einen 300 Gäste neugierig anschauen, was man denn wohl zu sagen hat. Wohl dem der spontan formulieren kann, das Ganze freundlich rüberbringt und kompetent das englische Pendent hinterherschieben kann.

Manchmal muss es an Bord schnell und spontan sein – zum Beispiel nach einem Startabbruch, einem Blitzeinschlag oder einem verpatzten Anflug. In der Regel ist das Cockpit erst einmal gut beschäftigt und dann kommt es bei den Gästen ganz gut an, wenn man sie schon einmal mit wohl gewählten Worten beruhigen kann. Durchstarten ist nichts beängstigendes – man muss nur wissen was gerade passiert ist. Auch hier ist nicht die flapsig-lässige Art á la „herzlichen Glückwunsch, Sie sind Teilnehmer unserer „happy-hour“, zwei Landungen zum Preis von einer“… nötig, sondern einfach eine ehrliche, kurze Information und der flugängstliche Gast atmet erleichtert auf. Manche sind da sehr sensibel und achten auf jedes Wort! Als ein Purser auf einem Flug nach Amerika im Stress aus Versehen einmal kurz eine arabischen Ansage anspielte, die laut und eindringlich durch die Kabine schallte, war der eine oder andere Adrenalinstoß seitens der Passagiere nicht zu verleugnen. Zum Glück ließ sich blitzschnell klären, dass es sich doch nicht um eine orientalische Entführung, sondern nur um die Betätigung eines falschen Knopfes gehandelt hatte.

Mit all diesem Hintergrundwissen war ich gewappnet, als mich auf einer meiner letzten Langstrecken aus den USA nach Hause ein älterer Herr mitte siebzig kurz vor dem Frühstück in Reihe 32 ansprach, ob ich ihm nicht mal kurz das Bordmikrophon leihen könnte. „Passagiere haben am Bordtelephon nicht zu suchen!“, dachte ich spontan bei mir und fragte dennoch neugierig den Gast:
„Worum geht es denn? Wissen Sie, eigentlich …“
Wir flüsterten eine Weile und ich nickte. Meine Kolleginnen wurden informiert und ich stellte das Bordmikrophon so ein, dass der Ton nur in der Economy zu hören war, dann reichte es dem Herrn. Sein Name war übrigens Herbert.

„Sehr geehrte Gäste“, begann er nach einem leisen Räuspern. „Sicher wundern Sie sich, warum nicht eine der adretten Stewardessen hier jetzt vor ihnen steht, sondern ich alter Kerl.“ Die Passagiere, eben noch schlaftrunken, musterten gespannt und amüsiert ihren Mitreisenden.
Dieser rieb sich den Bart und fuhr fort: „Das hat einen besonderen Grund. Ich reise heute mit meiner Freundin Ilse zum 30. Mal diese Strecke.“ Er sah zu seiner Reisebegleitung, etwa siebzig, mit fröhlichem, eisgrauen Pagenschnitt und modischem Hosenanzug. „Irma, kommst Du bitte mal?“
Irma war platt, dennoch schälte sie die steifen Knochen aus dem Sitz und ging die wenigen Meter zu ihrem Freund.
„Irma, wir fliegen jetzt drei Jahrzehnte immer dieselbe Strecke. Noch immer sind wir, trotz aller gemeinsamen Abenteuer, nicht verheiratet. Nun haben wir noch zirka eine Stunde bis zur Landung und nach meinen Berechnungen sind wir jetzt genau über Paris, der Stadt der Liebe. Und darum möchte ich Dich, liebe Irma, vor alle unseren Mitreisenden nun fragen: Willst Du mich nicht endlich heiraten?“

Natürlich sagte Irma ja! Fröhlicher Applaus hallte durch unseren Flieger, spätestens dadurch wachten auch die Gäste der gehobenen Klasse auf. Egal – wir waren ja eh bald da. Wir kredenzten Irma und Herbert Champagner auf Kosten des Hauses und durften als erste gratulieren.

Kitschig? Ich fand es sehr romantisch. Den Mut muss man(n) erst mal haben, sich vor die „versammelte Mannschaft“ zu stellen und gegebenenfalls auch noch ein „Nein“ zu kassieren. Nach dreißig gemeinsamen Jahren … Chapeau! Und wenn ich überlege, wie aufgeregt der arme Herbert war. Da ist doch so eine Stegreif-Passagieransage für uns Profis ein Klacks – oder nicht?

2 Kommentare zu “Passagieransagen”

  1. Marie schrieb:

    Ach, eine schöne Geschichte 🙂
    Mir gefällt dein Block sehr gut, manche Situationen hier kenne ich selber… Aber eine solche habe ich in meiner Karriere auch noch nicht erlebt 😉

    Schöne Grüße,
    Marie

  2. Kathrin schrieb:

    Hallo Marie,

    vielen Dank für den netten Eintrag. Wer weiß, was Du alles noch so erlebst – die Fliegerei wird immer ein buntes Buch bleiben 🙂

    Viele Grüße,
    Kathrin